Die Mehrdimensionalität des Menschen

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Die Sichtweisen der verschiedenen Fachwissenschaften über den Menschen

1.) Biologisches Menschenbild


Ist der Mensch ,so Descartes Gedanken anhand der Ausschläge einer EEG- Ableitung oder biochemischer Synapsen zu begreifen? Was bedeutet ein Aktionspotential, wenn wir uns klar machen, dass es zwar des funktionalen Ablaufs bedarf, aber in Wirklichkeit auf das Gedachte, auf Inhalt und Motivationen ankommt!
Blaise Pascal hatte seine Skepsis gegenüber unserer Selbsterkenntnis so gefasst: Der Mensch selber ist das rätselhafteste Ding der Natur, denn er kann nicht begreifen, was Körper und noch weniger, was der Geist ist und am wenigsten von allem, wie ein Körper mit einem Geist vereint sein könnte. Das ist der Gipfel alles Schwierigkeiten, und indessen ist es unser eigenes Wesen...“
Wenn es um den Menschen geht, reichen Doppelblindversuche, Psychologie oder Soziologie als isolierte Wissenschaften nicht aus, um sich dem Gegenstand, dem Subjekt das wir eigentlich sind, adäquat zu nähern. Sie führen zu einer fragmentierten Wirklichkeit.
Übersehen wir nicht täglich wesentliche menschentypische- nicht-wissenschaftliche-ureigentlich religiöse-, also Beziehungs- Dimensionen, wenn wir den Patienten biochemisch analysieren ? Wenn wir ausschließlich biologische Richtgrößen vorgeben? Die Veröffentlichung von Faktoren über Normabweichungen wird zum „Sachzwang“.
In empirischem Übereifer hat Medizin an vielen Stellen den Faden verloren, der vom Phänomen zum Wesenskern, vom Messbaren zur Ganzheit, vom variablen Genom zum Geheimnis Mensch führt.
Wir laufen Gefahr, dass wir den integrierenden Moment, das „schlagende Herz“ unserer Existenz aus den Augen verlieren, indem wir „Die Heiligkeit des menschlichen Lebens“ immer weiter physikalisieren und zerrechtlichen.
Wir erklären als „unzumutbar“, als „überzählig“, als „Schadensfall“, was Fleisch von unserem Fleisch ist. Wir maßen uns an, „starke“ und „schwache“ Würden zuzuteilen, um damit Forschung zweckmäßig vorantreiben zu können und dies mit Hilfe von Ethikkommissionen auch noch als „recht“ und „legal“ zu lassen.
Auf die optimistische Ausführungen des amerikanischen Gen-Pioniers Craig Venter antwortete die Nobelpreisträgerin von 1995 Christiane Nüsslein- Volhard vor 1 Jahr etwa so: „ Wenn wir ehrlich sind, müssen wir doch zugeben, dass wir von keinem einzigen Gen die genaue Funktion kennen.“
Wie wird der Mensch aus genetischer Sicht? Ein entscheidender Schritt in der Vorbereitung der Keimzellen auf die Befruchtung ist deren voraufgegangene Reduktionsteilung in der Meiosis.
Das Werden des Menschen ist ein lebenslänglicher Vorgang der Differenzierung und konzentrierten Realisation. Menschliches Leben wird und reift, unabhängig von seinen Alters-Phasen, als Personalität in Identität und Kontinuität.
Nach der Abstimmung über den Stammzellenimport schrieb ein Journalist am 31.1.2002 enttäuscht und folgerichtig: „ Embryonen...dürfen abgetötet und in Überzahl produziert werden, weil wir sie als menschliches Leben nicht für voll nehmen. Doch selbst in ihrer „überflüssigen“ Form zeigen sie ihren Doppelcharakter. Denn für die Forschung sind gerade sie so spannend, weil in Ihnen eben doch das ganzen Potenzial zum Menschen steckt. Aus ihren Stammzellen kann man noch alles machen, was menschlich ist.
Darum werden Embryonen den erwachsenen, schon spezialisierten Stammzellen vorgezogen. So erinnert uns die Embryonenforschung durch ihre eigene Argumentation stets daran, was Embryonen eigentlich sind -potenzielle Menschen.“
(Das Phänomen der biologischen Vielfalt in unserer eigenen Art) Das Unwiederholbare des Gezeugten ergibt sich aus der Vielfalt der chromosomalen Kombinationsmöglichkeiten: beim Menschen sind dies zunächst 2^46 Variationen der Erbanlagen.
Insofern könnte man sich den Menschen biologisch als ein Ereignis im stochastischen Sinn vorstellen, ein Ereignis in dem weiten Raum Omega, den die Natur in ihrer sog.“Zufallsexperimenten“bereitstellt.
Das menschliche Lebensrecht begründet sich nicht im Genom. Und warum nicht?
Menschen können im Gegensatz zu Tieren oder Pflanzen weinen und singen, sie sind ernst, witzig und „gewitzt“, haben Humor und lachen deshalb manchmal „trotzdem“!
Anders als der Mensch suchen Pflanzen und Tiere nicht nach dem Sinn.
Das Genom ist nicht Alles, wenngleich es die biologische Identität eines Menschen repräsentiert, wie Gentests beispielsweise in der Medizin zeigen. Es ist die biologische Basis unserer Entwicklung, eine Basis, die wir langsam entschlüsseln- und im Sequenzieren schon zu erkennen glauben. Da aber beginnt der Irrtum: Faktenwissen bezieht sich auf Realität, aber diese ist nicht die ganze Wirklichkeit. Wissen ist nicht Weisheit , die stets „offen“ ist.
Die Dimension „Geist“ ist zur Erfassung und zum Verständnis der Wirklichkeit „Mensch“unerlässlich. Vorrausgesetzt, wir verwechseln Geist nicht mit der aktuellen Fähigkeit zu logischen Schlüsseln, mit messbaren Intelligenzquotienten oder momentaner Aufmerksamkeit sog. gesitiger „Präsenz“- vorrausgesetzt auch, wir identifizieren Geist nicht mit neurobiologischen Abläufen,- dann ist der Mensch Geist ,der einen Leib hat.
Max Scheler kommt zum Schluss: „Der Mensch ist das X, das sich in unbegrenztem Maße <<weltoffen>>verhalten kann.
Menschwerdung ist „Erhebung zur Weltoffenheit kraft des Geistes“
Letztlich heißt das: der Mensch kann Ja und Nein sagen. Er kann Heil oder Unheil wirken und muss es prinzipiell verantworten.
Im Wesen des Menschen geht es nicht um Schichten, materiell, vegetative, psychische, geistige, die sich etwa nacheinander entwickeln und damit Konzepte des abgestuften Lebensschutzes zuließen. Ich möchte den Menschen im Sinne des Theologen Paul Tillich als Ganzheit in „Vieldimensionalität“ ansehen. Der Leib ,der durchseelte Körper ist Basis des Geistes. Für Tillich gibt es im Menschen: nichts' rein Biologisches', ebenso wenig wie es etwas 'rein Geistiges', und jeder Akt seiner geistigen Tätigkeit wird von seiner Vitalität genährt.“
Die geistige Dimension des Menschen verweist auf vielerlei Fährten des Zugangs auf das personale Gegenüber- auch in extremis: im Koma, in der Demenz- oder in der Stummheit des Anfangs.

Stefanie Zumkeller und Michaela Stoll ; März 2003 ; Gk Reli NGO 13

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